DAS OBERSCHLESISCHE SCHMALSPURNETZ (785 mm)
Das umfangreichste und historisch bedeutungsvollste Schmalspurnetz im heutigen Polen liegt in Oberschlesien. Seine Anfänge reichen in die Jahre 1851-55. Damals wurde beginnend von Tarnowitz (heute Tarnowskie Góry) die Oberschlesische Schmalspurbahn (OSSB) errichtet, die das ungewöhnliche Mass von 30 preussischen Zoll Spurweite hatte (785 mm; ein preussisches Zoll = 26,15 mm). In dieser Spurweite waren zuvor schon Pferdebahnen auf Werksgeländen der aufblühenden Industrie und des schlesischen Kohlebergbaus errichtet worden. Die ersten Dampflokomotiven für das neue Schienennetz wurden 1855 angeschafft. Es waren österreichische Lokomotiven der Achsfolge 1'B1'. Später kamen 2-achsige und 5-achsige Tenderlokomotiven von Krauss (München) und Hagans (Erfurt) hinzu.
Zwischen 1884 und 1904 nationalisierte Preussen die strategisch bedeutende Industriebahn. 1858 fuhr die Bahn 580.840 t Güter, davon 376.630 t Kohle sowie 21.766 t Eisenerz. 1887 umfasste die Oberschlesische Bahngesellschaft 113 km. 1901 hatte das Netz schon einen Umfang von 138 km, dazu kamen 203 km betrieblicher Anschlussgleise. 1922 wurde auf Grund der durch den Völkerbund durchgeführten Volksbefragung Oberschlesien in einen deutschen und einen polnischen Teil geteilt. Auf deutscher Seite befanden sich das grosse Bahndepot Beuthen (heute Bytom) sowie die Bahnwerkstatt Rozbark. Polen erhielt etwa 2/3 des Schienennetzes, musste jedoch in Betriebsstätten und Schienenfahrzeuge investieren. 1929 wurden die ersten sechs Dampflokomotiven polnischer Produktion in Chrzanów gekauft: die Tenderloks Tw29 , die sich konstruktiv und optisch an die auf der deutschen Seite inzwischen gebräuchlichen 5-achsigen Lokomotiven Tw 9 (Schwartzkopf) und pr T39 (Orenstein+Koppel) anlehnten.
Die nachfolgende Tabelle stellt die auf dem Oberschlesischen Schmalspurnetz eingesetzten Triebfahrzeuge dar (Autor: Jakub Halor; vgl. das auf deutsch und polnisch erschienene dreibändige Standardwerk von Krzysztof SOJDA "Schmalspurbahnen in Oberschlesien").
DANE TECHNICZNE LOKOMOTYW (785mm)
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PKP class name PKP-Baureihen- Bezeichnung |
Prussian class name, Producer BR der KPEV, Produzent |
First year of service Erstes Einsatzjahr GKW |
wheel arrangement |
Radsatzfolge |
Traction Transmission Traktionsart/ Übertragung |
Power (HP) Leistung (PS) |
Overall length (mm) Länge ca. |
Total weight (kg) Gesamt- gewicht |
Tractive effort (kg) Zug- kraft |
Max speed (km/h) Höchst- geschwindigkeit |
- |
Gunther |
1855 |
2-4-2T |
1'B1'n2t |
steam |
- |
7150 |
31500 |
- |
20 |
- |
Krauss, Hagans |
1872 |
0-4-0T |
Bn2t |
steam |
- |
- |
- |
- |
20 |
- |
T31 Krauss, Hagans |
1875 |
0-6-0T |
Cn2t |
steam |
- |
- |
- |
- |
25 |
- |
T31.1, Krauss |
1884-1896 |
0-6-0T |
Cn2t |
steam |
100 |
- |
17180 |
2350 |
25 |
- |
T36, Hagans |
1897 |
0-6-4-0T |
CB'n2t |
steam |
- |
7967 |
27200 |
- |
20 |
- |
T37, O&K |
1904 |
0-8-0T |
Dn2t |
steam |
200 |
6520 |
27900 |
6600 |
25 |
Txb2 |
Borsig |
1904 |
0-6-2T |
C1'n2t |
steam |
- |
- |
- |
- |
35 |
- |
T38, O&K |
1915 |
0-8-0T* |
Dh2t |
steam |
200 |
7546 |
31590 |
7700 |
25 |
- |
T39, O&K |
1919 |
0-10-0T* |
Eh2t |
steam |
250 |
9284 |
39950 |
10800 |
25 |
Tw9 |
T40, Schwartzkopf |
1924 |
0-10-0T* |
Eh2t |
steam |
400 |
8800 |
41400 |
10700 |
30 |
Tw9 |
T40, AEG |
1925 |
0-10-0T* |
Eh2t |
steam |
450 |
8890 |
41500 |
10900 |
30 |
Tw29 |
Chrzanów |
1929 |
0-10-0T* |
Eh2t |
steam |
400 |
8800 |
42000 |
10700 |
30 |
Tw47 |
Chrzanów |
1947 |
0-10-0T* |
Eh2t |
steam |
400 |
8800 |
41400 |
10700 |
30 |
Tw53 |
Chrzanów |
1954 |
0-10-0T* |
Eh2t |
steam |
400 |
8800 |
41400 |
10700 |
30 |
Pxu |
Davenport |
1945 |
0-8-0* |
Dh2 |
steam |
240 |
- |
26800 |
4550 |
30 |
Px48 |
Chrzanów/PL |
1955 |
0-8-0* |
Dh2 |
steam |
180 |
12830 |
22000 |
3835 |
35 |
Lyd1 |
Chrzanów |
1955 |
0-6-0 |
C |
diesel mechanical |
150 |
5482 |
18000 |
4150 |
40 |
Lxd2 |
FAUR/Rum. |
1967 |
0-4-4-0 |
B'B' |
diesel hydraulic |
450 |
10240 |
32000 |
10290 |
40 |
Lxd2** |
FAUR |
1980 |
0-4-4-0 |
B'B' |
diesel hydraulic |
505 |
10240 |
- |
- |
40 |
*superheated locomotives/Heissdampflokomotive
**7 locomotives of Lxd2 class have been rebuilt with more powerful Wola H-12 type engine
**7 Lokomotiven der Baureihe Lxd2 wurden umgebaut und mit stärkeren polnischen Motoren vom Typ Wola H-12 ausgestattet
Die durch die deutsche Kriegsverwaltung herbeigeführte Wiederzusammenführung des Schmalspurnetzes in Schlesien blieb nach 1945 (Netzlänge: 212,1 km) unter polnischer Herrschaft erhalten. 1950 hatte das Netz mit 233,5 km seine größte Ausbreitung . Auf der Grundlage der Vorkriegs-Konstruktionspläne der Dampflok Tw29 wurden zunächst je 10 Loks der Baureihe Tw47 (19479 und Tw53 (1953) gebaut.
(Foto Tw53 im Hüttenwerk Pokój: :Krzysztof Sojda)
Es war ein überaus effektives Industrienetz, das 1955 den Transportrekord von 6.022.113 Gütertonnen und 1.789.935 Personen erreichte. Bezogen auf die Staatsbahn PKP waren dies 47,2 % der gesamten Güter- und 5,2 % der gesamten Personentransporte in ganz Polen , die auf nur 1,2 % des damaligen Schmalspurnetzes der PKP durchgeführt wurden. Noch 1992 hatte das Schmalspurnetz eine Ausdehnung von 153,2 km mit mehreren hundert industriellen Anschlussgleisen. Die Ausdehnung des Netzes 1989 verdeutlicht diese Karte (aus: parowozik).
1968 stellte das südlich von Kraków (Krakau) gelegene PKP-eigene Ausbesserungswerk ZNTK Nowy Sa,cz die Revision von Dampflokomotiven ein. Sämtliche Schmalspurrevisionen in Polen übernahm fortan das INTERLOK- Gründerwerk ZNTK Pila. Dort wurde eigens für die 785 mm-Spur ein besonderes Gleis für Probefahrten errichtet. Für die oberschlesische Bahn war dies jedoch eine ungünstige Situation, da die Transportkosten der Dampfloks nach Pila erheblich teurer als nach Nowy Sa,cz waren, wo man fortan nur noch normalspurige und schmalspurige Dieselloks revidierte. Auf Grund der starken Abnutzung der Dampflokomotiven und sicher auch wegen der höheren Transportkosten für die Dampfloks nach Pila wurden zu Beginn der siebziger Jahre rumänische Drehgestell-Diesellokomotiven L45H der polnischen Bezeichnung Lxd2 angeschafft.
(H.Schmidtendorf)
Für den Personenverkehr - der die gesamte Zeit über nur auf der Strecke Gliwice (Gleiwitz) - Rudy - Raciborz (Ratibor) betrieben wurde - wurden rumänische Dieseltriebwagen (polnische Bezeichnung Bxhpi) eingeführt. Doch trotz der Modernisierung, die auch die angeschlossenen Industriewerke betraf, war der Niedergang des Netzes unaufhaltsam. Der Strassenverkehr nahm rasanten Aufschwung, eine strategische Entscheidung zu Gunsten der Schmalspurbahn war weder bei den politischen Institutionen noch bei der Staatsbahn PKP erkennbar. Als 1992 die nachfolgenden Aufnahmen (H.Schmidtendorf) in der Hütte Kosciuszko in Chorzów entstanden, war das Werksnetz schon vom Gesamtnetz abgeschnitten und wurde nur noch im werksinternen Inselbetrieb benutzt. Zusammen mit dem Niedergang der Hütte war ein Jahr später wie bei vielen anderen schlesischen Industriebetrieben auch das Ende des Schmalspurbetriebs gekommen.
Die letzten erhaltenen Dampflokomotiven des einstmals mächtigen oberschlesischen Netzes und ihre aktuellen Standorte zeigt diese Tabelle.
Tw47-2558 BYTOM Tw53-2561 BIELSKO-BIALA Tw53-2565 SOCHACZEW Tw53-2566 RUDA k/ RACIBORZ Tw53-2570 RUDA k/RACIBORZ
Nicht erhalten geblieben sind die Lokomotiven der Elektrotraktion auf 785 mm-Gleisen, die über Jahrzehnte zwischen der Kohlegrube Gliwice und der Hütte 1.Maja verkehrte.
Auch die Schmalspur-Personenwagen und mit Höchstgeschwindigkeit 60 km/h fahrenden Dieseltriebfahrzeuge wurden weitgehend verschrottet, obwohl die Fakten klar für den Erhalt und sogar Ausbau des Schmalspurnetzes für den regionalen Personennahverkehr sprechen. So legt ein Zug die Strecke Bytom-Siemianowice in der Hälfte der Zeit zurück, die ein Strassenbus benötigt!
Es mutet wie ein Treppenwitz der Eisenbahngeschichte an, dass die einzige Dampflokomotive, die heute auf dem oberschlesischen Schmalspurnetz betriebsfähig ist und regelmäßig Touristenzüge fährt, ein Hybride ist, den es historisch in dieser Form nie gegeben hat. Der Dampfenthusiast Tadeusz Popiel hatte sich mit dem Ende der Dampfära und dem völligen Desinteresse der öffentlichen Instututionen für das historische Erbe der OSSB nicht abfinden wollen. Er übernahm von der Hütte Kosciuszko deren letzte, 1992 noch betriebsfähige, Tw53-Dampflok (Fablok Fabriknummer 3996 von 1954). Zusätzlich übernahm er die PKP-Dampflok Px48-1728. Von der Tw53 baute er die Wasser- und Kohlekästen ab, da er an die Lok den Tender der Px48 anhängte. Außerdem übernahm er von der Px48 die Luftpumpe und die Luftbremse. Diese jetzt Pw53 genannte Lokomotive hat inzwischen Kesselfrist bis 2005 erhalten und verkehrt seit 2001 - dem Datum des letzten regulären Güterverkehrs auf der OSSB - auf der Rumpfstrecke von Ruda k/Raciborza. Als nächstes Objekt will die von Popiel ins Leben gerufene "Gesellschaft der Freunde der Schmalspureisenbahn" eine 2-achsige Dampflok der Bauart "RYS" (Henschelnachbau) revidieren.
Eine Parkbahn (Spurweite 900 mm) weist auch die Stadt Chorzów (deutsch: Königshütte) auf. Touristisch wird ansonsten derzeit nur die alte OSSB-Strecke von Bytom und Siemianowice nach Miasteczko Sl. nahe Tarnowskie Góry genutzt. Schlesische Bahnenthusiasten debattieren verstärkt den Wiederaufbau von Streckenteilen wie dem zwischen Siemianowice zum Bergwerksbahnhof Siemianowice Wa,sk. Dieser und andere Abschnitte - wie die Strecke Gliwice Sródmiescie Zabrze Pólnoc-Bytom-Siemianowice-Katowice Bogucice-Katowice Rondo - könnten den regionalen Personen-Nahverkehr verbessern. Als Lobby wirken die Bahnfreunde auf die örtlichen Selbstverwaltungsorgane ein, die bislang keinen Eifer zeigten, von der Staatsbahn PKP die Schmalspurbahn zu übernehmen. Auf Grund der fehlenden Aufsicht über die Bahn wurden in den letzten Jahren an die 100 km Gleise durch nächtliche Diebe in "Privatinitiative" abgebaut und für die private Kasse als "Schrott" verkauft. Es ist zu hoffen, dass dieser Zerstörung eines überaus wertvollen Bahnnetzes Einhalt geboten werden kann.