WITKOWOER KREISBAHN / WRESCHENER KLEINBAHN / GNESENER ZUFUHRBAHN (Gniezno - Anastazewo) - 750 mm
Die Anfänge der Gnesener Schmalspurbahn liegen im Jahr 1883. Damals beschlossen die Besitzer der Zuckerfabrik, Gnesen (polnisch Gniezno) mit dem nahegelegenen Odrowąż per Eisenbahn zu verbinden. Im 19. Jahrhundert lag die historische Hauptstadt Polens Gnesen im Bereich der preußischen Staatsverwaltung. Das preußische Gesetz über die Gründung von Schmalspurbahnen gab zehn Jahre später dem Landkreis Witkowo die Gelegenheit, die Schmalspurbahn der Zuckerfabrik abzukaufen und sie umzubauen. Der erste Abschnitt der neuen Kreisbahn führte am 1.1.1896 von Gnesen über Niechanowo und Arcugowo, was als formelles Gründungsdatum des Personenverkehrs der Bahn als "Witkowoer Kreisbahn" gilt. Zwischen 1927 und 1949 firmierte sie als "Gnieźnieńska Kolej Powiatowa" (Gnesener Kreisbahn). Der Ausbau der Strecke verlief in folgenden Etappen:
Die Streckenführung sah wie folgt aus:
Gniezno Wąskotorowe (0) - Ogród Wiktorii (2) - Jelonek (4) - Zelaskowo (7) - Niechanowo (10) - Miroszka (12) - Małachowo (14) - Witkowo (16) - Strzyzewo Wąskotorowe (19) - Wiekowo Wąskotorowe (22) - Lugi Wąskotorowe (23) - Charbin (25) - Powidz (28) - Przybrodzin (31) - Ostrowo Nowe (32) - Ostrowo Stare (34) - Rusin (35) - Anastazewo (38)
Die Zahlen in Klammern gegen die Strecken-Kilometerzahl an.
Einen wesentlichen Anteil am Wachstum der Strecke hatte der Bau eines Flughafens in Powidz. Die Materialtransporte wurden vor allem mit der neuen Schmalspurbahn durchgeführt. Mit der polnischen staatlichen Neugründung 1918 fiel die Grenze zwischen dem preussisch und russisch verwalteten Gebiet Polens. In der angrenzenden russisch verwalteten Region hatte die zaristische russische Regierung nur den Bau von Schmalspurbahnen mit 750mm Spurweite zugelassen. Während des 1. Weltkriegs hatten deutsche Armeeeinheiten die 1912 durch die Firma "Orenstein & Koppel - Arthur Koppel AG", Berlin, gebaute 750mm-spurige Strecke von der Zuckerfabrik Gosławice nach Anastazewo auf 600mm Spurweite umgespurt. Somit konnten Züge der Witkowoer Kreisbahn direkt von Gnesen über Anastazewo bis Gosławice und nach Streckenverlängerung sogar bis Pątnów und Konin fahren.
Parallel zur Entwicklung in Gnesen hatte der südlich gelegene Kreis Wreschen (polnisch Września) am 14.4.1898 ebenfalls auf Grundlage des Preußischen Schmalspur-Eisenbahngesetzes die 600mm-spurige "Wreschener Kleinbahn" eröffnet. Zunächst wurden die Abschnitte Wreschen-Borykowo (19,6 km) sowie Wreschen-Klepacz (7,3 km) eröffnet. In Klepacz wurde die Wreschener Kleinbahn mit der Witkowoer Kreisbahn verbunden. Ein weiterer Abschnitt führte ab 1905 von Borzykowo zur einen Kilometer entfernten Zollgrenze zwischen der preußischen und russischen Verwaltungszone.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs ging das Streckennetz an die staatliche polnische Eisenbahn PKP. Die Bahn firmierte zwischen 1949 und 1957 als "Wrzesińsko-Gnieznieńska Kolej Wąskotorowa" - Wreschen-Gnesener Schmalspurbahn (WGKW) und zwischen 1957 und 1959 als "Wrzesińsko-Gnieźnieńska Kolej Dojazdowa" - Wreschen-Gnesener Zufuhrbahn (WGKD) mit Sitz in Września. 1959 wurde der Sitz in Września aufgelöst und das Streckennetz der Zufuhrbahn Kujawiens: "Kujawskie Koleje Dojazdowe" (KKD) mit Sitz in Krośniewice zugeschlagen, welche der Regionalverwaltung Poznań der PKP unterstellt war. 1948 hatte das Gnesen-Wreschener Bahnnetz eine Ausdehnung von 197,479 km. Ab 1954 wurde es auf Spurweite 750mm umgespurt, um mit den weiteren Abschnitten der Kujawischen Zufuhrbahn auf gleicher Spurweite verbunden zu sein. Mit dem Anwachsen des PKW- und Autobusverkehrs nahm der Personenverkehr im Bereich Września immer mehr ab, so dass ab 1976 das Netz von Września liquidiert wurde. Ab dem 21.9.1976 wurden in Września insgesamt 138 Lokomotiven und Waggons auf Normalspur-Flachwagen verladen und an die anderen Einsatzstellen verbracht. Die Ausdehnung des Streckennetzes verdeutlichen diese Karten. Die links stehende Karte wurde dem weiter unten erwähnten Buch von Marek Torzewski entnommen. Durch Anklicken können die Karten vergrößert werden.
Am 1.12.1991 wurde die "Kujawska Kolej Dojazdowa" in drei Teile gegliedert: Die Schmalspurbahn von Kroś niewice, Sompolno und Gniezno. Mit gleichem Tag erhielt Gniezno die eigenständige Verwaltung über den Abschnitt Gniezno W ąsk - Anastazewo mit 38 km Streckenlänge. Das weitere Geschehen schildert der Eisenbahnfreund Bernd Seiler (www.farrail.net) so:
"Die Schmalspurbahn von Gniezno (Gnesen) nach Anastazewo wird nur noch im Abschnitt Gniezno – Powidz im planmäßigen Güterverkehr bedient. Das Haupttransportgut ist Kohle, die nach Witkowo und Powidz geliefert wird. Seit 2002 befindet sich die 750 mm-Strecke nicht mehr im Besitz der Staatsbahn. Eigentlich sollte sie still gelegt werden, konnte jedoch auf Grund privater Initiative vorläufig gerettet werden. Da der Kaufpreis für Strecke und Fahrzeuge die Möglichkeiten des jetzigen Betreibers überstiegen, pachtete man die Bahn auf zehn Jahre. Eine längere Pachtzeit ist rechtlich nicht möglich. Seit 2002 firmiert man nun unter dem Namen Biuro Utrzymania i Eksploatacji "Gnieźnieńskiej Kolei W ąskotorowej", kurz GKW.
Trotz des geringen Verkehrsaufkommens besitzt man vier Diesellokomotiven, von denen zwei betriebsfähig sind. Von der PKP hat man zwei Dampflokomotiven der Reihe Px48 übernommen. Es handelt sich um Px48 1785, die derzeit betriebsfähig ist, und Px48 1919, die derzeit eine Hauptuntersuchung erhält. Die Kosten der Hauptuntersuchung von ca. 100.000 bis 150.000 Złoty (je nach Arbeitsumfang) werden von der GKW übernommen. Man kann sich nicht zwei betriebsfähige Px48 gleichzeitig leisten. Daher soll Px48 1919 so fertig gestellt werden, dass sie beim Fristablauf von Px49 1785 ihre Abnahmefahrt absolvieren kann. Eine Hauptuntersuchung ist alle sechs Jahre fällig."
Foto: Bernd Seiler
Mit Beschluss vom März 2003 übernahm der Landkreis Gniezno die Strecke und übergab sie der "Towarzystwo Miłoś ników Gniezna" (Gesellschaft der Freunde von Gniezno) für zunächst zehn Jahre zur Pacht. Die Wojewodschaft Wielkopolska gibt seit 2004 Zuschüsse zum Personenverkehr. Neben regulärem Fahrplanbetrieb werden Sonderfahrten angeboten. Die folgenden Bilder zeigen aktuelle Szenen vom Bahnbetrieb in Gniezno und einen besonderen Promotion-Gag: Karamelbonbons mit einem Foto dereigenen Px48-Dampflok sowie der Adresse. Bekanntlich geht auch bei Bahnliebhabern die Liebe durch den Magen...
(5 Fotos: Hermann Schmidtendorf)
Kontakt: Gnieźnieńska Kolej Dojazdowa
ul. Wrzesińska 2
62-200 Gniezno
tel./fax (061) 426 11 30
tel. (English/Deutsch) 0601 791 491
LITERATUR:
Eine überragende Fleißarbeit ist das Buch von Marek Torzewski mit alten Strecken- und Fahrplänen, Gebäude- und Rollmaterialdarstellungen. DAS Buch zum Streckennetz. 320 Seiten, Verlag: Ploigrafia Bracia Szymanscy, 00-545 Warszawa, ul. Marszalkowska 60. Auch bei der Bahnverwaltung in Gniezno erhältlich. Das Buch des deutschen Schmalspur-Bahnexperten und Enthusiasten Carsten Recht schildert auf deutsch unter anderem das hier behandelte Streckennetz. Verlag: Eigenverlag.
FAHRPLAN UND KONTAKT DER SCHMALSPURBAHN GNIEZNO